Was ist dran an den Mythen zur Ernährung? Diese Frage stellten sich rund 20 GdS-Kolleginnen und -Kollegen im Ruhestand, die in angenehmer Spätsommeratmosphäre für drei Tage in Nordhessen zusammenkamen. „Von (Ernährungs-)Mythen und verzerrter Wahrnehmung“ lautete das Thema des diesjährigen Seniorenseminars der GdS, das vom 5. bis 7. September 2024 im „Pentahotel“ in Kassel-Wilhelmshöhe stattfand.
Als ich nach einer abenteuerlichen Anreise mit der Bahn aus Hamburg leicht verspätet in die Vorstellungsrunde platzte, war ich erfreut, einige bekannte Gesichter wiederzusehen. Leider konnte unsere langjährige Dozentin Antje Matull krankheitsbedingt diesmal nicht dabei sein. Die Seminarleitung hatte wieder GdS-Bildungsreferentin Claudia Bidder inne, des Weiteren waren die Dozentinnen Anja Jung und Kathi Wallau anwesend.
Inhaltlich ging es um Mythen bei der Ernährung, deren Wahrheitsgehalt wir näher zu untersuchen hatten. Hierzu einige Beispiele: „Käse schließt den Magen“ – korrekt, Käse sollte als Letztes gegessen werden. „Fleisch ist Lebenskraft“ – grundsätzlich korrekt, aber nicht mehr zeitgemäß, da die notwendigen Nährstoffe auch über eine alternative Ernährung zugeführt werden können. „Alles in Maßen“ – korrekt und weiterhin zeitgemäß!
Die Aufgabe zu überprüfen, ob solche bekannten Mythen auch stimmen, konnte mit dem Wissen der Dozentinnen und Teilnehmenden sowie deren Kenntnissen über die Zusammenhänge gelöst werden. Auch durch Googeln und die Anwendung von künstlicher Intelligenz unter Verwendung von „ChatGPT“ wurden Lösungen gefunden und Zusammenhänge aufgezeigt. Die Überprüfung wurde durch Gruppenarbeiten sinnvoll ergänzt, wobei sich die Gruppen aufgrund eines Auswahlmodus erfreulicherweise immer wieder mit anderen Teilnehmern zusammengesetzt haben. Nach Beendigung der Gruppenarbeiten erfolgte die Vorstellung der Ergebnisse mit abschließender Diskussion.
Schwerpunktmäßig besprachen wir Ernährungstrends, Produktwerbung und ihre Wirkungsweisen. Sehr interessant fand ich den Informationsaustausch zum „Nutri-Score“. Dabei handelt es sich um ein System zur Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, bei dem eine fünfstufige Farb- und Buchstabenskala einen Überblick über die Nährwertbewertung eines Produktes liefern soll. Hierbei ist allerdings beachtenswert, dass die verschiedenen Lebensmittelgruppen jeweils für sich bewertet werden.
Am Nachmittag des zweiten Tages besuchte uns der Bundesseniorenvertreter der GdS, Kollege Wolfgang Wolters, der nach seinen Begrüßungsworten zu aktuellen Geschehnissen sprach. So ist erst kürzlich beim GdS-Gewerkschaftstag im April bestätigt worden, dass die Mitgliedsbeiträge für Senioren nicht wie teils gefordert pauschalisiert und abgesenkt werden sollen. Gestützt wird diese Entscheidung durch die Tatsache, dass auch die Senior(inn)en in der GdS deren Leistungen auf vielfältige Weise in Anspruch nehmen – zum Beispiel durch Inanspruchnahme der Freizeitunfallversicherung, Rechtsauskünfte, Fragen zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung sowie zum Pflegestärkungsgesetz und viele andere mehr.
Im weiteren Verlauf des Seminars ging es um psychologische Aspekte sowie Wahrnehmungsveränderungen und unbewusste Denkmuster im Alter. Vor allem den Part über die unterbewussten Prozesse fand ich sehr interessant. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass es den Unternehmen in erster Linie um den Verkauf ihrer Produkte geht! So analysierten wir durch Inaugenscheinnahme von Originalverpackungen, wie Begriffe, Farben und Bilder so eingesetzt werden, dass sie suggestiv wirken und ein Kaufinteresse auslösen. Auch die aufgedruckte Zusammenstellung der verwendeten Inhaltsstoffe ist bei näherer Betrachtung teils recht aufschlussreich, teils aber auch mehr Schein als Sein.
Unter dem Motto „Auf den Spuren der Brüder Grimm“ unternahmen wir am späten Nachmittag einen Stadtrundgang, bei dem wir sehen konnten, wo und wie das Brüderpaar gelebt hat. Jacob und Wilhelm Grimm legten in Kassel den Grundstein für ihren späteren Ruhm als Märchenschreiber und Sprachwissenschaftler. Beeindruckend für mich war, über welch großartige intellektuelle Fähigkeiten die beiden Universalgelehrten verfügten.
Kassel hat kaum mehr als 200.000 Einwohner, dennoch ist die Stadt recht großflächig und stilvoll angelegt, auch die Parkanlagen wirken imposant. Seit dem Jahr 1955 findet in Kassel alle fünf Jahre die weltberühmte „documenta“ statt, eine der weltweit bedeutendsten Ausstellungen für zeitgenössische Kunst.
Am letzten Seminartag haben erneut psychologische Aspekte eine wesentliche Rolle gespielt, es ging um Strategien zur Anpassung an veränderte Denkmuster im Alter sowie Ressourcenaktivierung und Förderung der mentalen Flexibilität. Hierbei haben wir uns insbesondere auch wieder mit unbewussten Denkmustern beschäftigt und bewährte Methoden zum Umgang mit diesen unterbewussten Prozessen kennengelernt.
Wenn wir bei uns etwas ändern wollen, kann die nachfolgend dargestellte „10-10-10“-Methode helfen. Diese von der US-amerikanischen Wirtschaftsjournalistin Suzy Welch entwickelte Technik ist dafür konzipiert, wohlüberlegte, nach-haltige Entscheidungen zu treffen. Die Methode besagt: „Willst du eine Entscheidung treffen, dann stell dir drei Fragen: Was sind die Konsequenzen meiner Entscheidung in zehn Minuten? In zehn Monaten? In zehn Jahren?“ Was sind also die persönlichen Auswirkungen dieser Entscheidung in zehn Minuten, zehn Monaten und zehn Jahren?
Wenn ich etwa nachhaltige positive Änderungen in meinen Ernährungsverhalten vornehme, können diese langfristig vorteilhafte Auswirkungen auf meinen Gesundheitszustand und meine Lebenserwartung haben. Sehe ich mir hingegen die 19. Folge der 5. Staffel einer Fernsehserie an, die nur Unterhaltungswert hat, so habe ich vielleicht zehn Minuten nach der Sendung noch ein gutes Gefühl. Eine gewisse Unterhaltung ist zwar recht angenehm, aber auf das richtige Maß kommt es an. Soll heißen, dass es meines Erachtens wichtig ist, sich von Zeit zu Zeit auch einmal mit den Inhalten einer gesunden Ernährung zu befassen.
Für mich war es ein sehr interessantes Seminar, sicherlich werde ich die neu erworbenen Erkenntnisse teilweise in die Praxis umsetzen. Und auch das Wetter spielte mit – es war sommerlich und angenehm warm, sodass wir an den beiden Abenden draußen vor dem Hotel sitzen konnten und eine Menge an informalen Austausch bei angenehmer Atmosphäre hatten. Last, but not least sei noch erwähnt, dass uns unsere Mitteilnehmerin Gabi Mai mit ihren Qigong-Übungen zwischendurch wieder in Schwung gebracht hat.
Nach dem Seminarabschlussgespräch gab es ein gemeinsames Mittagessen, an dem ich selbst wegen des nächsten Bahn-Abenteuers leider nicht mehr teilnehmen konnte. Weil mein Zug ausfiel und damit auch die Zugbindung aufgehoben war, habe ich einen Zug früher genommen und war eher zu Hause als gedacht – auch mal was anderes.
Uwe Radtke